Geschichte (be)greifbar machen: Ein Tastplan zum jüdischen Viertel in Köln

Das „MiQua… op Jöck!“ (kurz MoJ) – ein mobiles Mitmachmuseum zum Aufklappen und Entdecken – ist fester Bestandteil des Outreach-Angebots des Museums. Anlässlich des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gibt es nun auch ein MoJ zum Thema jüdisches Leben. Mit dabei ein taktiler Plan des mittelalterlichen jüdischen Viertels in Köln, hergestellt von der Firma Tactile Studio. Im März konnte dieser gemeinsam mit dem Blinden- und Sehbehindertenverein Köln e. V. getestet werden. 

Tastend bewegen sich die Hände über das 50×50 cm große Modell und die dazugehörige Legende. Schrift, Oberflächenstruktur, höhere Flächen… eine ganze Reihe an Details und Informationen sind zu entdecken.

Das Modell bildet den Kernbereich des jüdischen Viertels ab. Im Fokus stehen Gemeindebauten wie die Synagoge, die Mikwe oder das Tanzhaus – aber auch das im Viertel gelegene Kölner Rathaus. Diese Funktionsgebäude sind eingebettet in angrenzende Wohnhäuser jüdischer und christlicher Besitzer*innen. All das macht der Tastplan über seine Haptik erfahrbar. Unterschiedliche Schraffuren kennzeichnen die Häuser christlicher und jüdischer Bewohner*innen, Gebäude mit einer bestimmten Funktion heben sich durch ihre Höhe von den gewöhnlichen Wohnhäusern ab und auch Straßennamen sowie Straßenverläufe sind taktil eingebracht. Durch die Legende in Schwarz- und Brailleschrift lassen sich die einzelnen Gestaltungselemente den jeweiligen Inhalten und Bezeichnungen zuordnen.

Nahaufnahme: Zwei Hände ertasten die Schriften auf einer weißen Platte. Die Schriften sind schwarz hervorgehoben und zusätzlich erhaben.
Die Legende ergänzt das taktile Modell. © Annika Häberlein / LVR

Aber auch für Sehende verliert das Modell nicht an Aussagekraft, denn die Inhalte werden sowohl taktil als auch optisch aufbereitet: So sind Gebäude aus christlichem und jüdischem Besitz farblich unterscheidbar. 

Aufnahme von oben: Auf einem Holztisch liegen zwei Platten mit taktil erfahrbaren Aufschriften und Abbildungen. Zwei sich gegenübersitzende Personen, von denen nur die Hände zu sehen sind ertasten die Modelle.
Das Tastmodell fungiert als Anknüpfungspunkt für Blinde, Sehbehinderte und sehende Nutzer*innen. © Annika Häberlein / LVR

Im neuen MoJ wird das Modell ein Ausgangs-  und Anknüpfungspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Thema „Zusammenleben“ sein und die Verdeutlichung von Alltag, Nutzung und Ritus im Zusammenhang mit den jeweiligen Bauten thematisieren. Was das jüdische Viertel hier in Köln charakterisierte, können die Teilnehmenden selbst erkunden: zentrale Orte des jüdischen Gemeindelebens als identitäts- und gemeinschaftsstiftende Elemente, Tür an Tür mit christlichen Nachbar*innen.

Der Testlauf mit Interessierten des Blinden- und Sehbehindertenvereins hat gezeigt, dass die intendierten Inhalte intuitiv verstanden werden können. Doch noch viel wichtiger waren die Hinweise und Verbesserungsvorschläge der Testpersonen, zum Beispiel in Bezug auf die Darstellung von Zahlen in Schwarz- und Brailleschrift. Durch diese Erfahrungen und Einblicke können Angebote wie der Tastplan des jüdischen Viertels stetig verbessert werden. Denn auch in der Dauerausstellung des entstehenden Museums sind Taststationen geplant. Bereits in der Entwicklung haben Fachberater*innen und Expert*innen in eigener Sache ihr Wissen und ihre Erfahrungen eingebracht. Der Test des taktilen MoJ-Tastplanes liefert für die Fortentwicklung der Dauerausstellung zusätzliche praktische Hinweise.

Für ihre Zeit und das entgegengebrachte Interesse dankt das MiQua ganz besonders Marisa Sommer, Herbert Klerx und Sven Hülsmann vom Blinden- und Sehbehindertenverein Köln e. V.!

Ein Beitrag von Annika Häberlein, studentische Hilfskraft für Bildung und Vermittlung im MiQua.

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  1. Johannes Wachten sagt:

    Liest sich sehr überzeugend, herzlichen Glückwunsch!

    Gefällt 1 Person

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