Rekonstruktionen nehmen Fahrt auf.

Internationales Arbeitstreffen zum Praetorium in den Räumen der Thyssen-Stiftung

Wie sah ein Gebäude aus, das vor über 1600 Jahren gestanden hat, von dem aber nur Fundamente erhalten sind? Und: Wie stellt man die Dinge dar, die wir gar nicht mehr haben, also Dach, Fenster, Geschosshöhen etc.? Diesen Fragen geht MiQua jetzt zusammen mit Fachleuten der Architekturuniversität Budapest und der Technischen Universität Darmstadt nach. Gefördert wird die Arbeit des LVR in diesem Fall von der Fritz Thyssen Stiftung und der Stadt Köln.

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Direktor Dr. Thomas Otten spricht über das MiQua, seine Entstehung auf dem Platz vor dem Rathaus und das Konzept des Museums.
Die Teilnehmenden während des Vortrags von Dr. Thomas Otten, Direktor des MiQua. Foto: Dominik Schmitz / LVR-ZMB

Als Auftakt zu dem bis März 2019 andauernden Forschungsprojekt trafen sich am 29. und 30. Oktober 2018 fast 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen Archäologie, Architektur, Baugeschichte und virtuelles Gestalten in den Räumen der Thyssen-Stiftung in Köln (Abb. 1). Die Veranstaltung gab mit zwölf Vorträgen und einer umfangreichen Diskussion den Startschuss für die Rekonstruktionsarbeiten.

Die Rekonstruktionen des Praetoriums für Modelle und Filme werden später in der Ausstellung verdeutlichen, welche der noch am Ort erhaltenen und sichtbaren Fundamente ursprünglich oberirdisch gestanden haben. Denn im MiQua gibt es fast nur Fundamente. Um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie es früher aussah, muss man also erhaltene römerzeitliche Architektur und Bildquellen zu dieser kennen und auf die Kölner archäologischen Reste übertragen. So lassen sich Wahrscheinlichkeiten im Bild fassen.

Dabei gilt es zwei Dinge als besonders wichtig zu berücksichtigen: 1) Die Grauzonen des Unbekannten müssen erkennbar bleiben. Die entwickelten Darstellungen sollten also auch Varianten enthalten, wenn man es nicht genauer sagen kann. 2) Die Rekonstruktion von nur durch die archäologischen Befunde überlieferter Architektur sollte, bevor man sie zeigt, einem kritischen Diskussionsprozess unterworfen werden. Nur so können eine Vielzahl von Expertinnen und Experten an den Details mitarbeiten und sicherstellen, dass eine größtmögliche Wahrscheinlichkeit erreicht wird.

Die Rekonstruktionen des Praetoriums werden sich im Laufe der Jahre auch noch ändern und müssen dann neugestaltet werden. Beispielsweise dann, wenn sich der archäologische Forschungsstand weiterentwickelt, etwa durch neue Forschungen oder Ausgrabungen. Um späteren Forscherinnen und Forschern den Weg zu erleichtern, zeichnen wir alle Fragen, nicht umgesetzte Ideen und alle Forschungsgrundlagen zu den jetzt gewonnenen Rekonstruktionen auf. Dazu dient eine Datenbank, die an der TU Darmstadt entwickelt worden ist und erstmals für das Praetoriumsprojekt von Köln eingesetzt wird. Mittels dieses Forschungstools können die Beteiligten untereinander in Kontakt treten und zu bestimmten Problemen Notizen aber auch Literatur, Skizzen oder sonstige Bilder austauschen. Dies geschieht in Echtzeit und ist im internationalen Kreis möglich.

Das Praetorium in Köln war Sitz der römischen Statthalter. Die neue Rekonstruktion von Narmer Architecture aus Budapest verdeutlicht, welche Befunde heute noch erhalten sind und welche Dimensionen das Gebäude im 4. Jahrhundert einnahm.
Das Praetorium am Ende des 4. Jahrhunderts in der neuen Rekonstruktion,
Bildnachweis: Zsolt Vasáros/Gábor Nagy (Narmer Architecture / Budapest Univ. for Technology and Economics). Wissenschaftliche Beratung: Sebastian Ristow und Forschungsverbund des LVR, Befunde nach den Publikationen Precht 1973 und Schäfer 2014 der Ausgrabungen der Stadt Köln unter Otto Doppelfeld, Gundolf Precht, Marcus Trier/Gary White, gescannt von der Univ. zu Köln, Erdbebenstation Bensberg/TU Darmstadt.

Ein allererstes Bild verdeutlicht noch etwas Grundlegendes, das die Kölner Praetoriumsrekonstruktionen auszeichnet. Sie werden immer auf die erhaltenen Befunde aufgesetzt und diese sind auch in den Bildern, Filmen und Modellen sichtbar (Abb. 2). Dazu waren schon ganz am Anfang alle Mauerreste, Böden und Befunde des Praetoriums und des MiQua insgesamt mit einem Scanner erfasst worden. Im Falle neuer Grabungsergebnisse am Kölner Rathausplatz können diese Scans erweitert werden und auch die Rekonstruktionen bleiben einem dynamischen Prozess unterworfen. Festgehalten werden alle Schritte in dem Forschungstool zur Dokumentation.

Ein Beitrag von Sebastian Ristow

Reconstructions are picking up speed

International colloquium about the praetorium on the premises of the Thyssen foundation

What did a building look like that once stood over 1,600 years ago, but has only left its foundations behind? And how do we present things we don’t even have anymore, i.e. the roof, windows, ceiling heights, etc.? MiQua is currently exploring these questions with experts from the Budapest University of Technology and Economics and Technische Universität Darmstadt. In this case, the work of the RRC is being sponsored by the Fritz Thyssen Foundation and the City of Cologne.

Fig. 1: Attendees during the presentation by Dr. Thomas Otten, Director of MiQua. Photo: Dominik Schmitz / LVR-ZMB [/caption]

As a kick-off for the research project scheduled to run until March 2019, just under 40 academics from the disciplines of archaeology, architecture, architectural history and virtual design met on the premises of the Thyssen Foundation in Cologne on October 29 and 30, 2018 (Fig. 1). The event sounded the starting signal for the reconstruction projects with twelve presentations and an extensive discussion.

In the later exhibition, the reconstructions of the praetorium for models and movies will illustrate which of the foundations, still preserved and visible at the site, used to be overground originally, because MiQua has almost nothing but foundations. To gain an impression of what the site used to look like, one therefore needs to know about the surviving Roman architecture and the visual sources documenting it, and then transfer this knowledge to the archaeological remains in Cologne. This helps to cast probabilities in a tangible shape.

Two things need to be regarded as key in the process: 1) The grey areas of the unknown need to remain recognizable. The developed portrayals should thus also include variants where one is unable to tell with greater precision. 2) Reconstructions of architecture that has only come down to us in archaeological finds should undergo a critical discussion process before they are shown. Only this will enable a variety of experts to contribute to the details and ensure that the greatest possible likelihood is reached.

The reconstructions of the praetorium will also change over the years, and be in need of corresponding redesigns. For instance whenever the archaeological state of knowledge is expanded further, e.g. by new research or excavations. To make things easier for later researchers, we are documenting all the questions, unrealized ideas and all research bases for the presently derived reconstructions. The data base for this was developed at TU Darmstadt and is making its debut in the Cologne praetorium project. This research tool enables the involved parties to contact one another and exchange notes, but also literature, sketches or other pictures, about specific problems. This happens in real time and is also possible internationally.

Fig. 2: The praetorium at the end of the 4th century in the new reconstruction, picture credit: Zsolt Vasáros / Gábor Nagy (Narmer Architecture / Budapest Univ. for Technology and Economics). Scientific advice: Sebastian Ristow and RRC Research Association, findings as in publications Precht 1973 and Schäfer 2014 documenting the excavations by the City of Cologne under Otto Doppelfeld, Gundolf Precht, Marcus Trier/Gary White, scanned by University of Cologne, earthquake station Bensberg / TU Darmstadt.

A very first picture also illustrates an essential aspect that distinguishes the reconstructions of the praetorium in Cologne. They are always based on the preserved finds, which are then also visible in the pictures, films and models (Fig. 2). To do this, all remaining walls, floors and findings of the praetorium and the MiQua overall were documented with a scanner right at the start. These scans can be expanded if the excavations at Cologne’s town hall square yield new results, while the reconstructions will also remain in a dynamic process. All stages are recorded in the research tool for documentation.

A contribution by Sebastian Ristow

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