Ausstellung im Historischen Archiv: Hilliges Köln 2.0 – Auf dem Weg zur religiösen Toleranz?

(English version below) Die aktuelle Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt Köln fragt aus Anlass des 500jährigen Reformationsjubiläums nach dem Umgang des „Hilligen“ Köln mit der Frage nach religiöser Toleranz und Intoleranz in einer Stadt, die sich heute als offen für alle Bekenntnisse und Religionen ansieht.

Die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Köln

Dass das nicht immer so war, zeigt schon der Blick auf das jüdische Leben in Köln – das über die Reformationsfeierlichkeiten leicht aus dem Blick geraten kann, für die Ausstellung aber ein gleichrangiges Thema darstellt. Die blühende mittelalterliche Gemeinde, deren Wohn- und Gemeindegebäude im MiQua zu besichtigen sein werden, war zwar in vielerlei Hinsicht integriert, und man war bis zu einem gewissen Grad auch dazu bereit, auf ihre Gebräuche Rücksicht zu nehmen. Aber sie wurde auch immer wieder Opfer von Ausgrenzung und Verfolgung. Nach dem Pestpogrom von 1349 erfolgte eine erste Ausweisung. Ab 1372 durften sich Juden wieder in Köln niederlassen, manche durften sich sogar als „Burger zu Coelne“ bezeichnen.

Eine spätmittellalterliche Urkunde mit zwei Siegeln.
Die Brüder Lievermann und Nathan von Siegburg, „Burger zu Coelne“, quittieren der Stadt Köln 400 Gulden, 1382 (HAStK Best. 1 U 1/3499).

Dieses Niederlassungsrecht war jedoch befristet und lief 1424 aus. Seither bis 1798 durften sich keine Juden mehr in Köln niederlassen. Warum? Eine gewichtige Rolle spielte beim dem Beschluss der Stadtoberen sicher die Auseinandersetzung mit dem Erzbischof. Unter seinem Schutz standen die Juden, und aus christlich-kölnischer Sicht lag es nahe, eine solche Einflussmöglichkeit des ungeliebten Stadtherrn auszuschalten.

Vorurteile und Stereotypen

Das wurde jedoch nicht offen gesagt. Vielmehr wurden religiöse Begründungen und Stereotypen herangezogen – und vermutlich von den meisten geglaubt –, um die Vertreibung der Juden zu rechtfertigen. Wir hören da also von Brunnenvergiftung, von Unfrieden in der Stadt und sicher nicht zuletzt von „uncristlichen voessen“ (unchristlichen Füßen), die die durch Märtyrerblut „geheiligte“ Kölner Erde entweihen würden. Bewusst um diese „Unehre“ zu tilgen, wurde die Synagoge in eine Ratskapelle umgewandelt, in der man unter anderem mit Stefan Lochners „Altar der Stadtpatrone“ den christlichen Triumph über das Judentum feierte.

Ein dreiteiliger Altar mit christlichen Darstellungen.
Altar der Kölner Stadtpatrone von Stefan Lochner, um 1442 (Rheinisches Bildarchiv Köln rba_c000020).

„Judengeleit“ in der Frühen Neuzeit

Fortan war Köln also eine Stadt ohne Juden? Nein, denn im Alltag wurde vieles nicht so streng behandelt, wie es zunächst offiziell verlautbart wurde. Nach wie vor konnten Juden nach Köln kommen, vor allem aus dem nahen Deutz. Sie regelten ihre Geschäfte in der Stadt, und sie wurden nicht selten von hiesigen Christen gerufen, um als Ärzte zu wirken. Das zeugt von geringen Berührungsängsten im Alltag. Jedoch von echter Toleranz kann keine Rede sein: Juden mussten jeweils einzeln beim Stadtrat eine befristete Zugangsgenehmigung beantragen. Dieses „Judengeleit“ war sogar dann erforderlich, wenn sie zu dem einzigen Zweck nach Köln kamen, zum christlichen Glauben zu konvertieren.

Die Ausstellung „Hilliges Köln 2.0“

Wer jüdischem Leben im Köln der Vormoderne auf die Spur kommen will, ist daher auf Spuren und Indizien angewiesen: Auf die Archäologie, die im „heiligen Boden“ der Stadt eben doch noch mehr finden konnte, als es den Ratsherren des 15. Jahrhundert wohl lieb ist. Und auf Schriftquellen, die im Historischen Archiv der Stadt Köln verwahrt und zum Teil in der Ausstellung gezeigt werden. Sie läuft noch bis zum 12.11.2017 (Heumarkt 14, 50667 Köln, Di – So 10.00-16.00 Uhr, Mi 10.00-19.00 Uhr, Eintritt frei, Führungen auf Anfrage, http://historischesarchivkoeln.de/de/info/hilliges-koeln-2-0 ).

 

Ein Gastbeitrag von Max Plassmann, Historisches Archiv der Stadt Köln.

 


Exhibition in the Historical Archive: Holy Cologne 2.0 – moving towards religious tolerance?

In commemoration of the 500th anniversary of the Reformation, the current exhibition at the Historical Archive asks how we are progressing with the establishment of a ‘holy’ Cologne and engages with the issue of religious tolerance and intolerance in a city that is nowadays seen as being open to all confessions and religions.

The medieval Jewish community in Cologne

A look at Jewish life in Cologne shows that this hasn’t always been the case – that it’s all too easy for Reformation celebrations to fall by the wayside while the exhibition still treats them as an equally important issue. The thriving medieval community, whose homes and municipal buildings will be on display at MiQua, was integrated in many respects, and there was even a certain degree of willingness to show consideration for its customs. But time and time again the community was made a victim of exclusion and persecution. It was first banished after the Black Death of 1349. From 1372 Jews were once again allowed to settle in Cologne, some were even permitted the title ‘Burger zu Coelne’ (Citizens of Cologne).

Image 1: The brothers Lievermann and Nathan von Siegburg, ‘Citizens of Cologne’, leave the city of Cologne 400 guilders, 1382 (HAStK Best. [Cologne City Archive Inventory No.] 1 U 1/3499).

This right to settlement was temporary, however, and expired in 1424. From then until 1798, no more Jews were allowed to settle in Cologne. Why? A discussion with the archbishop certainly played an important role in the resolution of the city’s leaders. Jews fell under his protection, and from a ‘Christian Cologne’ point of view it made sense to prevent the unpopular city ruler from exerting such influence.

Prejudices and stereotypes

This wasn’t expressed quite as frankly, however. On the contrary, religious explanations and stereotypes were cultivated – and presumably believed by most – to justify the expulsion of the Jews. We hear of water poisoning, of unrest in the city, not least of “uncristlichen voessen” (un-Christian-like feet) that would desecrate Cologne’s ‘holy’ ground sanctified with martyrs’ blood. In a conscious effort to resolve this unrest, the synagogue was transformed into a town hall chapel where the Christians’ triumph over Judaism was celebrated with Stefan Lochner’s ‘Altar der Stadtpatrone’ (Altar of the City’s Patron Saints).

Image 2: Altar of the City’s Patron Saints by Stefan Lochner, around 1442 (Rhineland Image Archive of Cologne rba_c000020).

Jewish safe-conduct in the early modern period

So did Cologne remain a city without Jews from then on? No. In day-to-day life many things weren’t treated as strictly as when they were first officially announced. Jews came to Cologne as they always did, particularly from nearby Deutz. They carried out their business in the city and it was not uncommon for them to be summoned by local Christians to work as doctors. This just goes to show that few feared contact with them in everyday life. However, in no way does this speak of true tolerance: Jews were still expected to apply individually for a temporary access permit. Even those coming to Cologne for the sole purpose of converting to the Christian faith required safe-conduct papers.

The exhibition ‘Holy Cologne 2.0’

Those looking to find out about Jewish life in pre-modern-day Cologne are therefore dependent on traces and clues: On archaeology, of which even more would be found in the city’s ‘holy ground’ than the councillors of the 15th century may have liked. And on written sources stored in the Historical Archive of the City of Cologne, some of which are on display in the exhibition. It will continue to run until 12/11/2017 (Heumarkt 14, 50667 Cologne, Tue – Sun 10:00-16:00, Wed 10:00-19:00, free entry, guided tours on request, http://historischesarchivkoeln.de/de/info/hilliges-koeln-2-0 ).

 

A guest article by Max Plassman, Historical Archive of the City of Cologne.

 

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