The „Medieval MiQuas“ in Leeds

MiQua auf dem International Medieval Congress (IMC):

Mehr als 2800 Mittelalterexpert*innen aus 59 Ländern trafen sich vom 1.-4. Juli in Leeds in Nordengland, um sich dort über das Thema „Materialities“, Materialität im Mittelalter, auszutauschen. Für das Team vom MiQua war dies eine wunderbare Möglichkeit, die archäologischen und historischen Quellen des Kölner jüdischen Viertels mit den Kolleg*innen zu diskutieren, sich mit ihnen auszutauschen und einen Überblick über neue Entwicklungen in der Mittelalterforschung zu erhalten.

Der freie Platz zwischen den Häuserreihen ist mit Menschen gefüllt. In der Mitte sind Sitzgelegenheiten aufgebaut und ein Bereich für Reiter in mittelalterlicher Kleidung auf ihren Pferden eingegrenzt. Girlanden reichen von Haus zu Haus.
Der Campus in Leeds während des Kongresses. Foto: Dr. Tanja Potthoff / LVR

Eine eigene Session für das MiQua

Ein Schwerpunktthema auf dem IMC waren „Jewish Studies“, also Forschungen zum mittelalterlichen Judentum. Daher lag es nahe, die entsprechenden Inhalte des MiQua in einer eigenen Tagungssitzung mit drei Vorträgen vorzustellen:

Tanja Potthoff gab einen Überblick über die archäologischen und historischen Quellen zum sogenannten Pestpogrom von 1349. Dieses führte nicht nur zur vollständigen Ermordung und Vertreibung der jüdischen Einwohner*innen Kölns, sondern auch zu massiven Bränden im Viertel. Die weiträumigen Zerstörungen konnten während der archäologischen Untersuchungen seit 2007 immer wieder nachgewiesen werden. Sowohl anhand der archäologischen Quellen als auch durch schriftliche Quellen wird deutlich, dass der Kölner Erzbischof und der Stadtrat von dem Pogrom wirtschaftlich profitierten und es für städtebauliche Veränderungen nutzen konnten.

Malin Drees stellte die mit Graffiti versehenen Fragmente der Schiefertafeln vor, die die Archäolog*innen der Stadt Köln während der Ausgrabungen gefunden haben. Bislang konnten über 500 Fragmente entdeckt werden – ein wesentlicher Teil davon gelangte im Zuge des oben genannten Pogroms in die Erde. Eigentlich handelt es sich um Dachschiefer, doch waren die kleinen Täfelchen im mittelalterlichen jüdischen Viertel als preisgünstiges Schreibmaterial beliebt. So haben sich Namenslisten, Schulübungen, mit dem Zirkel erstellte geometrische Muster und Zeichnungen erhalten. Auffällig ist die Ähnlichkeit einiger Motive zu Buchillustrationen. Möglicherweise könnte es sich um Vorzeichnungen gehandelt haben.

Christiane Twiehaus beschäftigte sich mit der Synagoge und deren Umwandlung in die Ratskapelle St. Maria in Jerusalem. Die Ausweisung der Juden im Jahr 1424 nutzte der Kölner Stadtrat, um die Synagoge in eine neue, repräsentative Ratskapelle umzugestalten. Ihre Weihe fand bereits 1426 statt. Die Umwandlung hatte nicht nur praktische Gründe, sondern war ein höchst symbolischer Akt, der den Triumph der christlichen Kirche über das Judentum zeigen sollte. Dies spiegelt sich auch in der Gestaltung des für die Kapelle geschaffenen Altarbildes von Stephan Lochner wieder, das heute im Kölner Dom betrachtet werden kann.

Die Kölner Forschungen stießen bei den Fachkolleg*innen aus Israel, den USA, Großbritannien, Spanien, Deutschland und Österreich auf großes Interesse. Die rege Diskussion, das Feedback und neue Ideen haben uns viele Hinweise gegeben, die in die zukünftige Dauerausstellung einfließen können.

Jüdisches Handwerk im Mittelalter

Einen eigenen Schwerpunkt innerhalb der Jewish Studies bildete in diesem Jahr das Thema „Jüdische Handwerker“. Hier zeigen ganz aktuelle Forschungen zu vielen Städten in Deutschland, Österreich, Spanien und in Ansätzen auch in Großbritannien, dass wir uns von vielen festgesetzten Klischees verabschieden müssen. Anders als viele heute immer noch glauben, waren Juden nicht nur als Geldverleiher tätig. Ganz im Gegenteil: es gibt zahlreiche Belege für jüdische Buchproduktion, Goldschmiede, Bäcker, Bierbrauer, Tuchmacher, Knochenbearbeiter und viele andere Handwerker. Auch in Köln gibt es entsprechende Hinweise.

Im Vergleich zeigten sich interessante Parallelen zwischen allen gezeigten Beispielen. Besonders auffällig sind die Ähnlichkeiten in Köln und Erfurt. In beiden Städten gibt es nicht nur eine auffällige räumliche Nähe zwischen den jeweiligen jüdischen Vierteln und den Vierteln der Goldschmiede, sondern auch weitere Verschränkungen zwischen beiden Gruppen. Die Hinweise auf jüdische Goldschmiede verdichten sich immer mehr.

Die Mitarbeiterinnen des MiQua stehen in Leeds vor einem Gebäudeeingang. Christiane Twiehaus ganz links trägt einen beigen Kurzmantel und grauen Schal dazu. Malin Drees steht in der Mitte mit weißem T-Shirt, schwarzer Hose und kariertem Blazer darüber. Tanja Potthoff rechts im Bild trägt eine schwarze Bluse zu einer weißen Hose. Alle drei tragen Brille und aufgrund der bevorstehenden Rückreise gemütliche Sneaker.
Die MiQua-Mitarbeiterinnen Christiane Twiehaus, Malin Drees und Tanja Potthoff in Leeds (v.l.n.r.). Foto: Dr. Christiane Twiehaus / LVR

Die „Medieval-MiQuas“ sind mit vielen neuen Erkenntnissen, Anregungen und Ideen für das zukünftige Museum aus Leeds zurückgekehrt. Der Austausch mit unseren Fachkolleg*innen, die Pflege alter und der Aufbau neuer Kontakte sind unentbehrlich für die weitere Forschung des MiQua und die Vorbereitung gemeinsamer wissenschaftlicher Projekte. Die Tagung endete mit einem für uns großartigen Erfolg: Während der Abschlussdiskussion wurde die Arbeit des MiQua aufgrund seines interdisziplinären Ansatzes und seiner Kooperationen anerkennend hervorgehoben.

Ein Beitrag von Tanja Potthoff, Archäologin des Mittelalters und der Neuzeit im MiQua.

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