(English version below) Eines der spannendsten archäologischen Denkmäler im MiQua ist die Synagoge aus dem Mittelalter. Zwei Bereiche in ihrem Inneren waren im Rahmen der jüdischen Religionsausübung besonders wichtig: Der Toraschrein, in dem die Tora aufbewahrt wurde, eine handgeschriebene Rolle aus Pergament mit dem Text der fünf Bücher Mose. Und die so genannte Bima, eine Art Kanzel in der Mitte des Raums, auf der die Tora zum Vorlesen aufgerollt wurde. Beide Bereiche waren aufwändig gestaltet und mit kostbarem Bauschmuck aus Stein versehen. Als das jüdische Viertel bei einem Pogrom im Jahr 1349 zerstört wurde, wurden auch diese Einbauten in tausende Stücke zerschlagen und auf dem ganzen Rathausplatz verteilt. Bei Ausgrabungen der Stadt Köln 1956 und seit 2007 förderten Archäologinnen und Archäologen immer wieder Teile der Bima und des Toraschreins zu Tage (Abb. 1). Bisher sind mehr als zweitausend Fragmente der Bima geborgen worden. Sie sind teilweise nur wenige Zentimeter groß.

Streifenlichtscanner hilft, die Fragmente zu ordnen
Das Team von MiQua hat die Bauteile Stück für Stück eingescannt, um trotzdem eine Vorstellung vom Aussehen der Einbauten gewinnen zu können. Dazu wurden die Funde nach Bonn ins LVR-LandesMuseum gebracht. Hier steht ein hochmoderner Streifenlichtscanner. Dieser bestrahlt die Fragmente aus verschiedenen Perspektiven mit Licht und errechnet daraus ein digitales Bild der Oberflächen (Abb. 2). Weil die Objekte dabei auf einem Teller gedreht werden, kann man alle Seiten aus allen Richtungen dokumentieren. Das Ergebnis ist ein 1:1-Abbild des Originalstücks, das man in einem Grafikprogramm auf dem Rechner lesen und bearbeiten kann. Ein Vorteil davon ist, dass man die empfindlichen Funde nicht mehr hervorholen und wieder und wieder anfassen muss, was sie ja auch beschädigen könnte.

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Aus tausenden Einzelteilen entstehen Rekonstruktionen der Synagoge
Die Abbilder der Fragmente der Lesekanzel können dann elektronisch nach Material und bearbeiteter Oberfläche sortiert werden. In der gotischen Architektur sind die Formen immer nach bestimmten Mustern angeordnet, also kann man versuchen die Teile der Bima nach ihrer Zugehörigkeit zu gruppieren: Sockelteile, Fragmente von Basen, Stützen und Stützenabschlüssen (Kapitelle) sowie die oberen Teile mit gotischem Maßwerk und der Bekrönung der Architektur. Ein nächster Arbeitsgang besteht darin, die Teile am Bildschirm so zusammenzusetzen, dass die Gestalt der Bima nach mehr als sechseinhalb Jahrhunderten wieder erstehen kann (Abb. 3). Auch der Aufbewahrungsort der Tora kann so rekonstruiert werden. In der Ausstellung des MiQua werden diese Bilder und die Originalfragmente zu sehen sein. Man kann die virtuelle Bima auch in eine digitale Rekonstruktion des ganzen Synagogengebäudes einfügen und so den Innenraum der Zeit um 1300 abbilden. Diese Arbeiten leisten in den nächsten zwei Jahren Mitarbeitende der TU Darmstadt und der Firma architectura virtualis zusammen mit den Teams des LVR und der Stadt Köln. Neben der Synagoge entstehen parallel auch Rekonstruktionen des gesamten jüdischen Viertels.

Haben die Handwerker der Dombauhütte auch die mittelalterliche Synagoge gebaut?
Schließlich werden die Bimafragmente mit anderem Baudekor derselben Zeit verglichen. Wenn etwa die Funde aus der Synagoge gleiche Spuren der Steinbearbeitung zeigen wie der im Kölner Dom in der Zeit um 1300 verbaute gotische Bauschmuck, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieselben Handwerker auf beiden Baustellen tätig waren. Dann hätten die hochqualifizierten Spezialhandwerker der Dombaustelle zumindest zeitweise für die jüdische Gemeinde an der Innenausstattung der Synagoge gearbeitet.
Ein Beitrag von Sebastian Ristow, MiQua
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Notiz:
WDR 5 hat einen Radiobeitrag über den 3D-Scanner gesendet. Mit einem Klick auf das Wiedergabe-Symbol können Sie sich den Radiobeitrag anhören:
Scanning the Middle Ages
One of the most exciting archaeological monuments at MiQua is the medieval synagogue. Two areas inside it are of particular importance in the practice of the Jewish religion. First is the Torah ark which housed the Torah, a handwritten parchment roll with the text of the five books of Moses. Second is the so-called Bima, a type of pulpit in the middle of the room on which the Torah was unrolled for reading. Both areas were elaborately designed and decorated with opulent stone ornamentation. When the Jewish Quarter was destroyed in a pogrom in 1349, these components were broken up into thousands of pieces and dispersed over the entire area of the Rathausplatz. Again and again during excavations of Cologne in 1956 and since 2007, archaeologists brought parts of the Bima and Torah pulpit to light (Image 1). To date, over two thousand fragments of the Bima have been salvaged, some only a few centimetres in length.
Image 1: Stripe light scanner, © Sebastian Ristow / LVR
A stripe light scanner can help impose order on architectural fragments
The MiQua team scanned the fragments piece by piece so that some idea of the original appearance of the components could be formed. For this, the finds were transported to the LVR LandesMuseum, which possesses a state-of-the-art stripe-light scanner. The device shines light onto the fragments from various angles, producing a digital picture of the surfaces from its calculations (Image 2). Because the object is placed on a rotating plate, every surface can be documented, from all angles. The result is a 1:1 image of the original piece, which can then be viewed and processed on a computer. An advantage of the machine is that one can avoid the damage that may occur when repeatedly taking out and handling the sensitive finds.
Image 2: Scanned image of a fragment from the interior decoration of the medieval Cologne synagogue. Image: LVR-LandesMuseum Bonn / MiQua (D. Büschken / St. Kremer)
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Reconstructions of the synagogue from thousands of small pieces
Images of the fragments of the pulpit can then be electronically sorted according to material and worked surface. In Gothic architecture, the forms are always allocated to a certain category of pattern, which means that the Bima fragments may be grouped in terms of their origin: parts of a pedestal, fragments of a base, supports and pillars (capitals) and upper sections with Gothic tracery and the architectural roof crown. A second process consists of assembling the pieces on screen in a way that allows the form of the Bima to appear, after more than six and a half centuries (Image 3). The place in which the Torah was kept can also be reconstructed in this manner. The images and original fragments will be shown in the MiQua exhibition. It is possible to insert the virtual Bima in a digital reconstruction of the synagogue as a whole, allowing a representation of the interior as it would have looked around the year 1300. Over the next two years, this work will be undertaken by the staff of TU Darmstadt and the company architectura virtualis, together with teams from the LVR and Stadt Köln. Alongside the synagogue, reconstructions of the entire Jewish quarter will be undertaken.
Image 3: Representation of scanned fragments from the medieval synagogue in Cologne
Did the cathedral craftsmen also build the medieval synagogue?
Finally, the Bima fragments are compared with other contemporary decorative elements. If the synagogue finds should display the same traces of stone working as were found in the cathedral of Cologne dating from 1300, then it is highly likely that the same craftsmen worked on both sites. It would mean that the highly skilled craftsmen of the cathedral’s construction team would, at least occasionally, have worked on the interior of the synagogue for the Jewish community.
By Sebastian Ristow, MiQua
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