Was tut sich eigentlich auf der Baustelle unter all den Stahlträgern?
Letzte Woche ging es gemeinsam mit einem Filmteam vom LVR-Zentrum für Medien und Bildung (ZMB) in den archäologischen Teil der zukünftigen Dauerausstellung des MiQua – für Dreharbeiten zu einem Making-of-Film. Ganz schön umständlich, Kamera, Tonabnehmer und Lampen heil unter Tage zu befördern. Aber damit auch ihr einen Einblick in die Grabungsarbeit erhaltet, sind natürlich keine Mühen gescheut worden!
Das war übrigens nicht das erste Mal, dass die Kolleg*innen sich mit uns in die Tiefe wagten. Als die filmische Materialsammlung 2014 startete, waren die archäologischen Befunde durch Holzgerüste und Planen abgedeckt und deshalb nicht viel zu sehen.
Im Gegenteil zu heute! Ein Labyrinth aus uralten Mauerresten erstreckt sich vor uns, grob sind einzelne Häuser und Bauten unterschiedlicher Funktion zu erkennen. Auf rund 6500 m2 erstrecken sich das mittelalterliche jüdische Viertel mit Synagoge und Mikwe, das christliche Goldschmiedeviertel und neuzeitliche Elemente wie dem Königswinterer Backofen, direkt neben dem römischen Praetorium.
Was für den Laien jedoch kaum ersichtlich ist: in jedem Mauerstück stecken die einzelnen Phasen der 2000 Jahre Stadtgeschichte bunt durchmischt. Gut, dass die Archäolog*innen Sebastian Ristow vom MiQua und Franziska Bartz von der Archäologischen Zone dabei waren, um dem Kamerateam die Besonderheiten jedes einzelnen Abschnittes genauer zu erklären.
In einer Ecke finden wir beispielsweise eine Mauer aus dem Mittelalter, in welcher römische Reste verbaut wurden und die von einer neuzeitlichen Treppe durchkreuzt wird. So können die einzelnen Schichten nicht einfach vertikal datiert werden. Teils wurde ein römischer Bogen im Mittelalter untermauert, teils wurden Steine aus der Römerzeit im Mittelalter zum Bau neuer Mauerteile wiederverwendet.
Kaum zu glauben, aber die Jahrtausende alte Bauweise der Römer ist auch heute noch beinahe unzerstörbar. An einigen Stellen mussten die Archäolog*innen dann aber doch selbst Hand anlegen, um Abschnitte zu stabilisieren. Um diese zum Teil täuschend echten Rekonstruktionen auch später noch erkennen zu können, grenzen rote Linien diese vom Original ab.
Nicht nur Materialtechnisch, auch auf anderen Gebieten standen die Römer uns in keiner Hinsicht nach. Die Thermen verfügten über eine antike Fußbodenheizung, das sogenannte Hypokaustum. Dabei wurde in Öfen außerhalb der beheizten Räume Rauchgas erzeugt, welches dann in geschlossenen Räumen unterhalb der Mauern zirkulierte und die Wärme an die Oberflächen abgab. Daneben verfügte die gesamte Colonia über mehrere durchgehende Abwasserkanäle, in denen es dank präziser Berechnung des Gefälles kaum zu Verstopfungen oder anderen Problemen kam.
Das Mittelalter ging hingegen mit dem Bau einzelner Latrinen wieder einen Schritt zurück. Mit einer Rutsche wurden die Hinterlassenschaften von oben eingeleitet und mussten händisch wieder herausgeholt werden. Das hört sich zunächst etwas unappetitlich an, doch gerade die Nutzung der Latrinen verrät uns einige spannende Details über das mittelalterliche Alltagsleben. Denn, dass sich Juden und Christen eine Latrine teilten, lässt sich als Beleg für ein friedliches Zusammenleben beider Gruppen bis zum Pogrom im Jahre 1349 betrachten. Ein besonderer Fund aus diesem Teil der Geschichte ist während der Bauphase zum MiQua mit einer Holzklappe abgedeckt. Als Franziska diese für die Kamera anhebt, kommt die Inschrift des Hauses Lyvermann aus dem 13. Jh. zum Vorschein: Hebräische Schriftzeichen verweisen darauf, wo die Latrine zu entleeren sei – den genauen Wortlaut erspare ich euch hier!
In der Neuzeit wurden die unterirdischen Räume zu Wohnhauskeller und ähnelten der heutigen Nutzung als Lagerraum. Genau wie bei uns sammelte sich in den Kellern natürlich Einiges an und so standen den Archäologen Massen an Material, wie Scherben alter Vasen und Krüge, zur Verfügung, um genauere Datierungen vorzunehmen. Da die Häuser bis zum zweiten Weltkrieg in ihrer Funktion blieben, stieß das Grabungsteam auch auf einen ganzen Haufen aus Schreibmaschinen und Schuhen.
Vergangenheit schön und gut, aber wie wird die ganze Ausgrabung eigentlich von außen stabilisiert? Immerhin kommt da ein ganzes Museum drauf. Auch hier gibt es wieder etwas zu entdecken: die uns umgebende Bohrpfahlwand. Mithilfe eines Bohrers wurden einzelne pfahlförmige Bohrlöcher geschaffen und anschließend mit Beton verfüllt. Es sieht aus, als hätte man um uns herum einfach hunderte Säulen aufgestellt. Unsere Vorfahren wussten aber natürlich noch nicht wo genau das MiQua einmal stehen wird und so hat das römische Mauerwerk ebenso in der Außenwand seine Spuren hinterlassen. Achtet also mal genauer auf die Ecke, in der ihr den Making-of-Film in der Ausstellung selbst betrachten könnt.
Bei der Menge an Informationen musste das Filmteam einige „Takes“, das heißt einige Kameraeinstellungen, mehrfach aufnehmen. Aber sicher ist sicher, solch eine Gelegenheit wird einem ja nicht jeden Tag geboten! Über uns haben die fleißigen Bauarbeiter für so einigen Lärm gesorgt, was bei einem authentischen Baustellenerlebnis aber natürlich dazu gehört.
Vieles wird der fertige Film euch erzählen, einige archäologische Fragen bleiben bis zur Fertigstellung des Museums noch offen: Was lässt man stehen und wo lohnt es sich vielleicht hinter eine Mauer doch noch einmal genauer zu schauen? Wenn ja, mit welcher Technik können wir herausfinden, was sich in diesen Abschnitten verbirgt?
Es bleibt spannend und wir freuen uns schon, wenn ihr nach der Eröffnung all diese Eindrücke mit eigenen Augen erleben könnt!
Bis dahin halten wir euch hier und auf unseren Social-Media-Kanälen auf dem Laufenden,
Euer MiQua-Team.
Ein Beitrag von Luzie Ronkholz, Praktikantin im MiQua-Team
I hope to return to see this museum in 2024.
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Unfortunately it will take longer…
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