Zu Gast in SchUM

Vom 17. bis 18. April 2018 fand im Landesmuseum Mainz im Rahmen des anstehenden UNESCO-Welterbeantrags der SchUM-Städte (zusammengesetzt aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der Städte Speyer, Worms und Mainz) eine Fachtagung zum Thema „Kontinuität und Authentizität – Zum Denkmalwert von Wiederaufbauten“ statt. Unterstützt und organisiert durch die Generaldirektion Kulturelles Erbe vom Land Rheinland-Pfalz und ICOMOS diskutierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Vertreterinnen und Vertreter des Ministeriums für Wissenschaft zum Beispiel über Fragen der Denkmalpflege oder den Wiederaufbau von Kulturdenkmälern.

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SchUM im Mittelalter

Im Mittelalter gehörten die Städte Speyer, Worms und Mainz zu den jüdischen Zentren in Aschkenas. Sie waren bedeutende Hochburgen der Gelehrsamkeit und standen in engem Austausch miteinander. Die berühmten Lehrhäuser – Yeshivot – dienten als Ausbildungsstätte für Juden aus ganz Aschkenas. So kam auch Raschi, ein berühmter Talmud-Kommentator des 11. und frühen 12. Jahrhunderts, von Troyes nach Worms, um bei Isaak Eleasar ha-Levi zu lernen, dem Leiter der dortigen Talmudschule. Bis heute ist nach ihm die mittelalterlich-rekonstruierte Synagoge in Worms, die Raschi-Synagoge, benannt.

Statue vor der Wormser Synagoge mit einer hebräischen Inschrift zur Erinnerung an Raschi.
Die Raschi-Statue vor der Wormser Synagoge mit der Inschrift in Übersetzung: „Ich aber komme nur um den einfachen Wortsinn des Bibelverses anzuführen, Raschi“, Foto: Samantha Bornheim / LVR

Als wichtiger Ort der SchUM-Gemeinden, spielte Worms auch auf der Tagung eine zentrale Rolle. So wurden nicht nur der Wiederaufbau und die Rekonstruktion der Wormser Synagoge vorgestellt und diskutiert, sondern auch der Besuch der Orte selbst ermöglichte eine tiefgreifende Beschäftigung mit der Frage nach der Authentizität von Rekonstruktionen. Die Wormser mittelalterliche Synagoge wurde 1938 zerstört und erst später originalgetreu wiederaufgebaut.

Der Wormser jüdische Friedhof zeichnet sich durch Kontinuität aus, die keinen Vergleich in Europa findet. Der „Heilige Sand“, wie der Friedhof genannt wird, hat seit dem Mittelalter bestand. Eines der bekanntesten Gräber gehört zu Meir von Rothenburg, dessen Grab bis heute für manche zu einer Pilgerstätte geworden ist.

Links das Grab von Rabbi Meir von Rothenburg und rechts das von Alexander ben Salomo Wimpfen. Auf den Gräbern liegen nach jüdischer Tradition kleine Steine und Zettel, um die Unvergänglichkeit der Erinnerung an Verstorbene zu verdeutlichen.
Die Gräber von Rabbi Meir von Rothenburg (l.) und Alexander ben Salomo Wimpfen (r.), Foto: Samantha Bornheim / LVR

Authentizität und Rekonstruktionen im MiQua

Vor allem die Frage nach einem Verständnis für Authentizität war relevant und wurde in Bezug auf die Objekte und Städte des Welterbeantrags diskutiert. Im MiQua wird in der Dauerausstellung ebenfalls mit Rekonstruktionen gearbeitet, wobei es hier natürlich nicht darum geht, ganze Gebäudekomplexe in Original Größe wiederaufzubauen. Wir wollen den Besucherinnen und Besuchern zeigen, wie die mittelalterliche Synagoge in Köln ausgesehen haben könnte. Richtig: könnte! Anders als in Worms hatte die Synagoge bereits in der Frühen Neuzeit keinen Bestand mehr und wurde stattdessen als Ratskapelle genutzt. Zeitgenössische Bilder oder Zeichnungen existieren nicht. Wie also authentisch rekonstruieren und dabei den Wert des Ortes im Blick behalten? Gemeinsam mit der TU Darmstadt wird an verschiedenen Möglichkeiten einer Synagogen-Rekonstruktion gearbeitet. Verschiedene, weil wir den Besucherinnen und Besuchern zeigen wollen, dass es in unserem Fall nicht die eine authentische Lösung gibt, sondern verschiedene Varianten, die alle gleichermaßen wahrscheinlich sind. Authentisch ist in unserem Fall also offen mit Forschungsfragen umzugehen und zu zeigen, dass wir schlichtweg nicht wissen, wie der Oberbau der mittelalterlichen Kölner Synagoge aussah. Verliert sich hierdurch der Denkmalwert? – Mit Sicherheit nicht! Das mittelalterliche jüdische Viertel im Herzen der Stadt Köln gibt Aufschluss über das jüdische Leben in der Stadt – ganz unabhängig vom Aussehen der Synagoge. Anders als in SchUM wurde Köln als mittelalterliche jüdische Stätte wenig Bedeutung zugewiesen. Die Funde und der Ort zeigen jedoch deutlich, dass Köln zu den Zentren des mittelalterlichen Judentums zählte. Synagoge, Mikwe und Frauenschul, alles unerlässliche Einrichtungen für das jüdische Leben, konnten in den Ausgrabungen dokumentiert werden und helfen uns in Zukunft, Besucherinnen und Besuchern die Geschichte des Judentums in Köln zu vermitteln.

Ein Beitrag von Malin Drees, wissenschaftliche Volontärin im MiQua (bis Dezember 2019).

 

A visit to ShUM

As part of the upcoming UNESCO world heritage application of the ShUM cities (acronym formed from the first letters of Speyer, Worms and Mainz in Hebrew), the Landesmuseum Mainz hosted conference on „Continuity and Authenticity – On the Cultural Significance of Rebuilt Monuments“ from April 17th to 18th, 2018. Sponsored and organized by the Rhineland Palatinate’s General Directorate for Cultural Heritage and ICOMOS, scholars and representatives from the Ministry of Science discussed questions relating to the preservation of historical, cultural monuments as well as their reconstructions.

ShUM in the Middle Ages

During the medieval period, the towns of Speyer, Worms and Mainz were important centres of learning and engaged in a close mutual exchange. Yeshivot (Sing. Yeshiva) were famous places of study for Jews from all over Ashkenaz. Rashi, a famous Talmud commentator of the 11th and early 12th century, came to Worms from Troyes to study with Isaac Eleasar ha-Levi, the director of the local Talmud school. The Rashi Synagogue, a reconstructed medieval synagogue in Worms, is named after him to this day.

Fig. 1: The statue of Rashi in front of the synagogue in Worms; the inscription translates as: „I come only to explain its simple meaning, Rashi“, photo: Samantha Bornheim / RRC

As an important site of the ShUM communities, Worms also played a central role at the conference. The rebuilding and reconstruction of the city’s synagogue was not only introduced and discussed, but a site visit also enabled a deep engagement with questions regarding the authenticity of reconstructions. The medieval synagogue in Worms was destroyed in 1938 and only reconstructed later.

The Jewish cemetery in Worms is distinguished by a continuity that is unrivalled in Europe. The „Holy Sand“, as it is referred to, has been in existence since the Middle Ages. One of its best-known graves is that of Meir of Rothenburg, which has become a place of pilgrimage to this day.

Fig. 2: The graves of Rabbi Meir of Rothenburg (l) and Alexander ben Salomo Wimpfen (r), photo: Samantha Bornheim / RRC

Authenticity and reconstructions at MiQua

Most relevant of all, the question how authenticity is to be understood was discussed regarding the monuments and cities of the world heritage application. Reconstructions are also part of MiQua’s future permanent exhibition. Even if here it is not the aim to rebuild buildings at their original scale. We want to show our visitors what the medieval synagogue in Cologne could have looked like. In contrast to Worms, the synagogue here had already ceased to exist as such in the late medieval period and served the town councillors as a chapel instead. There are no contemporary paintings or drawings. So, how can one reconstruct authentically and keep an eye on the value of the site at the same time? Various options for reconstructing the synagogue are elaborated in cooperation with TU Darmstadt. Various options because we want to show our visitors that there is no single authentic solution in our case, but various variants that are all equally likely. Therefore, authentic for us is to deal with research issues open-minded and show that we simply don’t know what Cologne’s medieval synagogue looked like. Is the monument value lost as a result? – Certainly not! The medieval Jewish quarter at the heart of Cologne provides insights into the city’s Jewish life. Unlike ShUM Cologne has been accorded little importance as a medieval Jewish community. However, the finds and place clearly show that Cologne was important for medieval Jewry. Synagogue, mikveh and women’s school, indispensable institutions for Jewish life, could all be documented in the excavations and will help us mediate Cologne’s history of Jewish life to our visitors in the future.

A contribution by Malin Drees, academic trainee in the MiQua-Team (until December 2019).

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