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Der Jüdische Hochzeitsring im Kölnischen Stadtmuseum

Ein ganz besonderes Miniaturkunstwerk befindet sich im Kölnischen Stadtmuseum. Es handelt sich um einen goldenen jüdischen Hochzeitsring (Inventarnummer RM 1928/349b), der 1928 bei dem Kölner Antiquitätenhändler Hermann Feit erworben wurde und dessen Herkunft unbekannt ist. Er ist sehr aufwändig gestaltet. Eine Ringschiene in Form zweier Drachen trägt ein gotisches Miniaturgebäude mit sechs identischen Seiten: über spitzbogigen Arkaden maßwerkverzierte Dreiecksgiebel mit eingeschriebenem Dreiblatt, die von Kreuzblumen bekrönt und Fialen flankiert werden. Auf dem sechsseitigen Pyramidendach findet sich die Inschrift מזל טוב (MAZEL TOW = Viel Glück!).

Hochzeitsring liegend auf neutraler Fläche
Kölner Hochzeitsring © Hendrik Strelow / KSM

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In seiner Größe, aber auch der Gestaltung, ähnelt der Kölner Ring frappierend dem Erfurter Hochzeitsring aus dem frühen 14. Jahrhundert. Daher wurde der Kölner Ring 2017 im Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie untersucht – auf dieselbe Art und Weise wie der Erfurter Hochzeitsring und durch dieselben Wissenschaftler, die diese Analysen vorgenommen hatten. So wurde er stilistisch, technologisch und materialanalytisch begutachtet und mit dem Erfurter Ring verglichen.

Stilistisch ähnelt der Kölner dem Erfurter Ring stark. Der Aufbau ist nahezu identisch und auch die Details wie die gotischen Gestaltungselemente des Gebäudes und die beiden Drachen sind gut vergleichbar. Auch technologisch lassen sich Parallelen ziehen. Beide Ringe bestehen aus zahlreichen Einzelteilen, die in Formen geschlagen und dann zusammen gelötet wurden. Aus technologischer wie kunsthistorischer Sicht könnte der Kölner Ring durchaus im Mittelalter hergestellt worden sein. Die Materialanalyse widerlegt diese These: Zwar besteht der Kölner Ring wie der Erfurter aus hochkarätigem Gold, allerdings wurde ein Lot verwendet, das im Mittelalter noch nicht bekannt war.

Das Metall des Kölner Hochzeitsrings wurde auf die gleiche Art und Weise analysiert wie das des Erfurter Rings. Dazu wurden Messungen mit einer mikro-RFA mit einem Spotdurchmesser von 300 µm durchgeführt. Diese Analysen zeigen, dass das Lot aus einer Goldlegierung und Cadmium besteht. Damit kann das Lot erst nach der Entdeckung des Cadmiums durch Strohmeyer 1817 hergestellt worden sein – und der Kölner Hochzeitsring kann nicht aus dem Mittelalter stammen.

Obgleich sich die Hochzeitsringe aus Köln und Erfurt in Größe und formalem Aufbau stark ähneln, konnte durch die Materialuntersuchung zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass der Kölner Hochzeitsring erst Jahrhunderte nach dem Erfurter hergestellt wurde.

Wie lässt sich die motivische Ähnlichkeit dann aber erklären? Der Erfurter Ring kann nicht als Vorbild für den Kölner Ring gedient haben, da er zum Zeitpunkt von dessen Entstehung vergraben in der Erde lag – und er ist der einzige der heute bekannten mittelalterlichen Hochzeitsringe mit einem vergleichbaren Aufbau. Zwar waren schon im 19. Jahrhundert die Ringe von Colmar (1863) und Weißenfels (1826) entdeckt worden, diese unterscheiden sich jedoch stilistisch (Colmar) bzw. strukturell (Weißenfels) stark von dem Kölner Ring.

Ringe mit Miniaturgebäuden als Ringkopf stellen einen der wichtigsten Typen jüdischer Hochzeitsringe dar. Mit den Ringen aus Colmar, Weißenfels und Erfurt hat dieser Typus die längste nachweisbare Tradition in Mitteleuropa, sie reicht mindestens bis ins Mittelalter zurück. Aufgrund der frappierenden Ähnlichkeit der Hochzeitsringe aus Erfurt und Köln kann man vermuten, dass noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert mittelalterliche Ringe vorhanden waren, die dem Kölner Ring als Vorbild dienten – und möglicherweise erst unter den Nationalsozialisten zerstört wurden.

(Ein ausführlicher Bericht zur interdisziplinären Untersuchung des Kölner Hochzeitsrings wird im Dezember 2017 in Restauro, Zeitschrift für Konservierung und Restaurierung, erscheinen.)

 

Ein Gastbeitrag von Maria Stürzebecher, Landeshauptstadt Erfurt | Kulturdirektion.

 

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My favourite object

The Jewish wedding ring at Kölnisches Stadtmuseum

There is a very special miniature work of art at Kölnisches Stadtmuseum. It’s a golden Jewish wedding ring (inventory number RM 1928/349b), of unknown origin, purchased from the Cologne antiquities dealer Hermann Feit in 1928. It is very elaborately designed. A circular band in the form of two dragons supports a Gothic miniature building with six identical sides: ogival arcades are topped by a tracery-decorated triangular pediment with an inscribed trefoil, crowned in turn by finials and flanked by pinnacles. The hexagonal pyramid roof bears the inscription מזל טוב (MAZEL TOW = Good luck!).

Illustration: Cologne wedding ring © Hendrik Strelow/KSM

In its size, but also its design, the Cologne ring strikingly resembles the Erfurt wedding ring from the early 14th century. Because of this the Cologne ring was investigated by the Thuringian State Office for Monument Conservation and Archaeology in 2017 – in the same manner as the Erfurt wedding ring and by the same scientists who analysed it. In the process it underwent stylistic, technological and material analysis and comparison with the Erfurt ring.

The stylistic resemblance between the Cologne and Erfurt rings is strong. Their construction is almost identical and the details such as the Gothic design elements of the buildings and the two dragons are similar. Technological parallels may also be drawn. Both rings are made up of numerous individual pieces beaten into shape and soldered together. From a technological as well as an art history standpoint it seems possible that the Cologne ring could have been produced in the middle ages. Material analysis refutes this hypothesis: the Cologne ring consists, like the Erfurt ring, of high-carat gold, but a solder was used on it which was unknown in the middle ages.

The metal of the Cologne wedding ring was analysed in the same manner as the Erfurt ring. To this end measurements were taken with a micro-RFA with a spot diameter of 300 µm. These analyses show that the solder consists of a gold alloy and cadmium. Therefore the solder can only have been produced after the discovery of cadmium by Strohmeyer in 1817 – and the Cologne wedding ring cannot come from the middle ages.

Although the wedding rings from Cologne and Erfurt resemble each other closely in size and formal construction, material investigation was able to show beyond doubt that the Cologne wedding ring was only produced centuries after the Erfurt ring.

But then how can the similarity in form be explained? The Erfurt ring cannot have been the inspiration for the Cologne ring, because it was lying buried in the earth when the latter was made – and it is the only medieval wedding ring known today with a similar construction. It is true that the Colmar (1863) and Weißenfels (1826) rings had been discovered in the 19th century, but these show strong differences in style (Colmar) or structure (Weißenfels) from the Cologne ring.

Rings with miniature buildings as a ring head represent one of the most important types of Jewish wedding rings. The Colmar, Weißenfels and Erfurt rings give this ring the longest demonstrable tradition in Central Europe, reaching back at least into the middle ages. Due to the striking similarity of the wedding rings from Erfurt and Cologne it may be assumed that medieval rings were still available in the 19th and early 20th century to serve as the inspiration for the Cologne ring – and may only have been destroyed under the Nazis.

(A comprehensive report on the interdisciplinary investigation of the Cologne wedding ring will appear in Restauro, magazine for conservation and restoration in 2017.)

 

A guest contribution from Maria Stürzebecher, state capital Erfurt | Culture.

 

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