Mutter Colonia als Hologramm

Ganz am Anfang der Kölner Geschichte steht die um 15 unserer Zeit geborene Agrippina die Jüngere, eine Urenkelin des Kaisers Augustus und Mutter von Kaiser Nero. Noch als Baby verließ sie mit ihrer Familie die Stadt, das damalige oppidum Ubiorum, um in Rom selbst aufzuwachsen. Da sie später mit Kaiser Claudius verheiratet war, konnte sie schließlich ihrem Geburtsort den Rang einer Colonie verleihen lassen. So kam es am Niederrhein zur Einrichtung der ersten Stadt mit römischem Bürgerrecht: Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Heute ist nur die Bezeichnung Colonia, verkürzt zu Köln als Name verblieben.

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Nahaufnahme von der Statue vor dem Fotostativ
Statue der Agrippina während des Scans im Dezember 2017. Alle Bilder dieses Beitrags: LVR (S. Ristow) mit freundlicher Genehmigung der kapitolinischen Museen, Rom (Musei Capitolini Roma Centrale Montemartini).

Im Zentrum der römischen Stadt lag direkt am Rhein der Verwaltungssitz der römischen Provinz Germania: das Praetorium. Seine 1953 aufgefundenen gut erhaltenen Überreste bilden einen bedeutenden Bestandteil des neuen Museums MiQua. In dessen unterirdischem archäologischen Rundgang werden zukünftig vor allem Funde zu sehen sein, die am Ort ausgegraben wurden. Objekte, die von anderswo ausgeliehen sind, bleiben auf den neuen oberirdischen Museumsbau und überhaupt auf Sonderausstellungen des MiQua beschränkt. Eine Ausnahme jedoch wird auf ganz besondere Art und Weise aufbereitet und gezeigt: Zwei Teile einer antiken Statue der Agrippina, die heute in Museen in Rom und Kopenhagen aufbewahrt werden.

Warum kommt Agrippina ins MiQua?

Die Römerzeit und das Praetorium sind erst der zweite inhaltliche Schwerpunkt von MiQua. Zunächst betritt man das mittelalterliche jüdische Viertel im unterirdischen Rundgang. Hier wird man dann durch eine Zeitschleuse vom Mittelalter mehr als 1000 Jahre in die Antike „gebeamt“. Den Anfang dieses Themenfeldes macht die Kölner Stadtmutter Agrippina. Und damit eine Kopie ihrer Großskulptur nicht mit einem Original verwechselt werden kann – denn sie wurde ja nicht an diesem Ort ausgegraben –, wird sie als digitale, räumliche Visualisierung erscheinen.

Eine besondere Skulptur

Antike Skulpturen, so denkt man allgemein, haben aus Marmor zu sein, sind strahlend weiß und stehen oft in großer Zahl an den Hotspots der internationalen Altertumssammlungen. Auf der Suche nach einem Abbild der Agrippina fällt aber besonders die von außergewöhnlich hoher Qualität leicht überlebensgroße Figur der Kaiserin mit einem vollkommen anderen Äußeren auf. Die Statue aus dem selten für Skulpturen verwandten Gestein Basanit kommt in glänzend poliertem Schwarz daher. Die Aufbewahrungsorte passen zur Geschichte: Es sind zum einen die Capitolinischen Museen der Stadt Rom, zum anderen die Ny Carlsberg Glyptothek von Kopenhagen, die den originalen Kopf besitzt. Man hatte die Statue in nachrömischer Zeit zerschlagen und im Mittelalter in vier Teilen in einer Mauer verwendet. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Stücke wiederentdeckt und geborgen. Dabei gelangte der Kopf nach Kopenhagen. In Rom ist heute jedoch eine exakte und vollständige Kopie vorhanden.

Internationale Kooperation

Um ein digitales Abbild der Agrippina herzustellen, erteilten die Museen in Rom und Kopenhagen ihre Zustimmung und unterstützten das Projekt nach Kräften. Für die technische Seite konnte das Fraunhofer Institute for Computer Graphics Research IGD in Darmstadt als Projektpartner gewonnen werden. Schließlich rückten im Dezember 2017 Matevz Domajnko vom Department Digitization of Cultural Heritage für das Fraunhofer-Institut, Barbara Nobilioni von den kapitolinischen Museen und der Verfasser von Seiten des MiQua der steinernen Dame in Rom mit der Kamera zu Leibe. Der Rohscan der Oberfläche der Skulptur entstand in zwei Tagen und auf 1500 Bildern. Rund 250 davon benötigt man allein für die Herstellung der Farbechtigkeit (Color characterization on site) des digitalen Abbildes. Die Skulptur wird dabei einmal ganz langsam und mit zentimeterweise immer wieder verschobener Kamera von Kopf bis Fuß umrundet. Ein leistungsstarker Rechner mit 2x Intel Xeon E5 CPU ermöglichte das Image processing, 3D reconstruction und 3D modelling. So entstand aus den Einzelbildern in rund zwei Wochen Bearbeitungszeit im Fraunhofer-Institut ein drehbares digitales Modell. Die Auflösung ermöglicht bei 24Mp Details auf der Oberfläche zu erkennen, aber auch noch ein gutes Handling der Dateien.

Seitliche Ansicht der Statue. Vor ihr ist ein Fotostativ mit Schirm aufgebaut und eine Person, die das Stativ berührt.

Ergebnis und Verwendung

Das digitale Abbild der Agrippina-Statue kann jetzt und in Zukunft in den beteiligten Museen die Arbeit mit der Skulptur erleichtern. Sie ist als digitales Ausstellungsstück nutzbar, so wie im MiQua geplant, aber auch als Bestandteil museumsdidaktischer Arbeit oder sogar als Mitbringsel vorstellbar, das auf einem Digitaldrucker verkleinert ausgeworfen werden kann. In Köln werden wir die Mutter unserer Stadt als Holovision erleben, die die römische Abteilung des MiQua einleitet. Dabei wird aus den digitalen Daten ein räumliches Bild in einen Hohlkörper projiziert, ähnlich wie in einer Laterna Magica. Besucherinnen und Besucher werden die Details der Statue von allen Seiten und in Originalgröße sehen können. Dazu gibt es Geschichten aus dem Leben der Kaiserin, die man in einer Hörstation abrufen kann.

Wir danken allen Beteiligten der Museen in Rom und Kopenhagen sowie dem Fraunhofer-Institut Darmstadt.

Filmsequenz: Verkleinerte Version der ersten Fassung des 3D-Modells.

 

Ein Beitrag von Sebastian Ristow, MiQua.

 

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Mother Colonia as a hologram

A key figure from the very beginning of Cologne’s history is Agrippina the Younger, born around 15 A.D., a great-granddaughter of Emperor Augustus and the mother of Emperor Nero. When she was just a baby, she left the city with her family, the then oppidum Ubiorum, to grow up in Rome. Since she was later married to Emperor Claudius, she was eventually able to give her birthplace the status of a colony. The first city on the Lower Rhine with Roman citizenship was therefore established: Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Today only the name Colonia, shortened to Cologne, remains.

Image: The statue of Agrippina during the scan in December 2017. All photos in this article: LVR (S. Ristow) with the kind permission of the Capitoline Museums, Rome (Musei Capitolini Roma Centrale Montemartini).

In the center of the Roman city directly on the Rhine lay the administrative headquarters of the Roman province Germania; the Praetorium. Founded in 1953, its well-preserved remains constitute an important part of the new MiQua museum. In the future, it will be possible to see finds that have been excavated at the site in the underground archaeological tour in particular. Objects borrowed from elsewhere remain confined to the new museum building above ground and, in general, to special MiQua exhibitions. An exception, however, is being prepared and exhibited in a very special way; two parts of a classical statue of Agrippina, which are currently preserved in museums in Rome and Copenhagen.

Why is Agrippina coming to the MiQua?

The Roman period and the Praetorium are only the second main focus of the MiQua. First, you enter the medieval Jewish quarter during the underground tour. Once here you are then „beamed“ back by an airlock from the Middle Ages more than 1000 years into the ancient world.  Cologne city’s mother Agrippina is presented as the start of the topic area. Since she was not excavated here, and so that a copy of her large sculpture cannot be mistaken for an original, she will appear as a digital, three-dimensional visualization.

 A special sculpture

It is generally thought that classical sculptures are radiantly white, made from marble, and are often found in large numbers at the hot spots of international antiquity collections. What stands out in the search for an image of Agrippina is the exceptionally high quality and the slightly larger than life figure of the Empress with a strikingly different appearance. Basanite stone is rarely used for sculptures, therefore giving the statue a shiny polished black appearance. The display locations are in keeping with history; on the one hand there are the Capitoline Museums of the city of Rome, on the other, the Ny Carlsberg Glyptothek of Copenhagen, which is in possession of the original head. The statue was destroyed in the post-Roman era and, in the Middle Ages, four parts were used in the construction of a wall. At the end of the 19th century, the pieces were rediscovered and protected. Copenhagen received the head. Today, however, there is an exact and complete copy in Rome.

International cooperation

To create a digital image of Agrippina, the museums in Rome and Copenhagen gave their approval and supported the project to the best of their ability. For the technical side, the Fraunhofer Institute for Computer Graphics Research IGD in Darmstadt was secured as a project partner. Finally, in December 2017, Matevz Domajnko from the Department of Digitization of Cultural Heritage at the Fraunhofer Institute, Barbara Nobilioni of the Capitoline Museums and the author of the project from MiQua got down to bringing the “Stone Lady” to life on camera. The raw scan of the sculpture’s surface was made in two days and comprised 1500 pictures. Around 250 of these alone were needed to produce the color characterization of the digital image on site. A camera then rotated around the sculpture very slowly, centimeter by centimeter, from head to toe. A powerful computer with a 2x Intel Xeon E5 CPU enabled the image processing, 3D reconstruction and 3D modeling. In this way, a rotatable digital model was created from the individual images in around two weeks of processing time at the Fraunhofer Institute. The resolution allows 24Mp to recognize details on the surface, but also a good handling of the data files.

Result and use

The digital image of the Agrippina statue can facilitate the work with the sculpture in the participating museums both now and in the future. It can be used as a digital exhibit, as planned for MiQua, but also as part of museum didactic work or it is even imaginable as a souvenir which can be produced on a smaller scale via a digital printer. In Cologne, we will experience the mother of our city as a holovision, who introduces the Roman section of the MiQua. In the process, a three-dimensional image is projected from the digital data into a hollow body, similar to a lanterna magica. Visitors will be able to see the details of the statue from all sides and in its original size. In addition, there are stories from the life of the Empress, which can be heard in a listening station.

We would like to thank everyone involved in the museums in Rome and Copenhagen as well as the Fraunhofer Institute Darmstadt.

 

Film sequence: small version of the first 3D-model version.

 

A contribution from Sebastian Ristow, MiQua.

 

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5 Kommentare Gib deinen ab

  1. Hallo Herr Ristow,

    das klingt ja spannend. Und wo doch unlängst die Callas als Hologramm auf der Bühne erschienen ist – warum nicht auch Agrippina. Ich würde es ja toll finden, wenn sie auch zu uns sprechen würde. Ist so etwas geplant? Und könnte man sie theoretisch dann auf einem 3D Drucker ausdrucken? Mit den Daten kann man ja noch so Einiges anstellen, oder?

    Ich bin wirklich schon sehr gespannt auf das neue Museum und freue mich sehr, wenn wir hier auf dem Laufenden bleiben.

    Herzlichst
    Anke von Heyl

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    1. Sebastian Ristow sagt:

      Liebe Frau von Heyl,

      eine sehr schnelle Reaktion … ja, unsere „Stadtgründerin“ wird auch in der Ausstellung zu uns sprechen. Da gibt es so einige spannende Geschichten aus ihrem Leben. Und: Natürlich kann man die schwarze Agrippina digital verfielfältigen. Da müssen wir später schauen, wie die beteiligten Museen zu unseren Vorhaben stehen, denn das Eigentum am Denkmal besteht natürlich auch digital.

      Viele Grüße
      Sebastian Ristow

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  2. Bernd Lambertz sagt:

    Auch dieses Mordsweib war einmal ein süßes Baby😈.

    Wenn denn alles stimmt, was da so über sie geschriebenen steht ☹️.

    Eine schlechte Presse bringt ja auch heute so manchen zu Fall 😈.

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  3. Dr. Johannes Wachten sagt:

    Welche Freude! Die mediale Rückkehr der Agrippina am heutigen Erew rosch chodesch Adar, dem Vorabend des Anfangs des jüdischen Monats Adar, von dem es im Talmud heißt: „[Wie ab dann, wenn der Monat Av eintritt, man Freude verringert,] so steigt, wenn der Monat Adar eintritt, Freude an“ (Ta’an. 29a).

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