Die Stadt unter der Stadt

Blogparade #KultBlick: Verloren und wiedergefunden? Mein Kulturblick!

(English version below) Manches ist auf den ersten Kulturblick gar nicht so einfach zu sehen. Denn oft finden sich die interessanten Dinge im Verborgenen und werden erst entdeckt, wenn man sich wortwörtlich in die Tiefe begibt. Colonia Claudia Ara Agrippinensium ist die Stadt unter der heutigen Stadt Köln. Vor 2000 Jahren wurde sie von den Römern gegründet. Viele kulturelle Schätze der Stadt wurden bereits gehoben und sind stellenweise unter der Erde museal erschlossen. Andere warten noch auf ihre Entdeckung.
Mit diesem Beitrag beteilige ich mich an der Blogparade des Archäologischen Museums Hamburg und beschreibe meinen Kulturblick auf die Stadt am Rhein.

Unter den Straßen von Köln

Shoppen auf einer römischen Straße

Geht man heute über die Hohe Straße, eine Kölner Einkaufsmeile, bewegt man sich gleichzeitig auf einer ehemals wichtigen römischen Straße und Verkehrsachse des römischen Köln, dem sogenannten cardo maximus, der wahrscheinlich schon vor zwei Jahrtausenden hoch frequentiert war. Doch liegt er heute verdeckt vom Schutt der Zeit weit unter dem heutigen Straßenniveau und damit etwa 5 Meter tief unter der Erde. Es ist beeindruckend, dass sich der alte Straßenverlauf bis heute erhalten hat.

Ein Schaufenster in die Antike

Gleich zu Beginn der Hohe Straße, direkt am Fuße des Doms, liegt das Römisch-Germanische Museum. Ein Must-See für jeden Touristen, aber auch für jeden Kölner. Hier kann man mehr über das archäologische Erbe der Stadt und ihres Umlandes erfahren. Aber was tun, wenn die Zeit für den Museumsbesuch nicht reicht?
Für einen schnellen Kulturblick schaut man einfach durch das große Museumsfenster. Dort ist ein riesiges Bodenmosaik zu sehen, das hier vor über 70 Jahren gefunden wurde und den Anlass dafür geboten hat, in den 1970er Jahren ein eigenes Museum zu errichten.

Vier Personen stehen dicht am Museumsfenster und schauen zum Mosaik herunter.
Schaulustige blicken auf das 75 Quadratmeter große „Dionysos-Mosaik“. Es entstand in der Zeit um 200 nach Christi Geburt und gehörte zu den herrschaftlichen Räumen eines römischen Wohnhauses. Dank des Museumsbaus kann es „in situ“, also am Fundort, besichtigt werden. © Stephanie Buchholz / LVR

Kneipentour auf Römisch

Kultur erfahren lässt sich aber auch bei einem Glas Kölsch. Denn in einigen Altstadtkneipen finden sich immer noch die Spuren einer anderen Zeit. So kann gleich am Eingang eines Jazzlokals ein römisches Mosaik überschritten werden. Es liegt geschützt unter einer Glasplatte.
In dem Gewölbekeller eines Weinhauses sind die Überreste der alten römischen Stadtmauer zu entdecken.
Ganz verschwunden ist das römische Leben im heutigen Kölner Alltag also nicht.

Das Tor zu einer anderen Welt

Für die Nachwelt zunächst verloren, aber dann 1843 zufällig wiedergefunden, wurde das Römergrab im Stadtteil Weiden, die besterhaltene römische Grabkammer nördlich der Alpen. Wer die Grabkammer aus dem 2. bis 4. Jahrhundert nach Christus hinabsteigt, den erwartet ein bemerkenswerter antiker Raumeindruck. 2018 wird hier ein neuer Lern- und Erlebnisort mit einer Ausstellung zum römischen Köln, dem Straßen- und Verkehrswesen sowie dem Totenkult der Römer geschaffen.

Gewölbe mit einem steinernen Sarkophag in der Bildmitte. Rechts und links römische Büsten.
Innenraum der römischen Grabkammer in Köln-Weiden © Dr. Ulrich Hermanns, Münster

Antike trifft Mittelalter

Auch wir, das Team des MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln, arbeiten daran Verborgenes sichtbar zu machen. Das Museum, das hier entsteht, zeigt die ausgegrabenen archäologischen Überreste eines besonderen Ortes:
Neben dem antiken Köln mit dem römischen Statthalterpalast (Praetorium) wird zukünftig auch das mittelalterliche Köln in den Kulturblick genommen.  Das jüdische Viertel mit den Überresten der Synagoge und der Mikwe und das christliche Goldschmiedeviertel mit den Fundamenten der Handwerkerhäuser nehmen einen festen Platz im musealen Konzept ein und legen damit einen Schwerpunkt auf das Mittelalter. Den Bogen ins Heute spannen die Funde aus der Neuzeit, denn das Viertel war bis zu den Kriegszerstörungen des Zweiten Weltkriegs dicht besiedelt und belebt.
Damit wird das zukünftige Museum im Quartier (MiQua) einen umfassenden Kulturblick in zwei Jahrtausende Kölner Stadtgeschichte liefern.

Blick von oben in die Mikwe auf den Treppenabgang und das Becken.
Die Mikwe, das jüdische Ritualbad, wird nach den Baumaßnahmen (wieder) zugänglich sein. © HOWI – Horsch, Willy, Koeln-Altstadt-Mikwe2-P1010151, CC BY-SA 4.0

Für Neugierige gibt es bereits jetzt die Möglichkeit mehr zu erfahren: Der römische Statthalterpalast, der bereits seit 1953 museal erschlossen ist, kann noch unter dem „Spanischen Bau“ des Kölner Rathauses besucht werden. Ebenso beeindruckend: der an Ort und Stelle gefundene und mehr als 2 Meter hohe begehbare römische Abwasserkanal.

Hinweisschild zum Eingang Kleine Budengasse, angebracht an einer Hausfassade.
Hier geht es zum Praetorium, © Stephanie Buchholz / LVR
Beleuchteter Kanal, der oben rund zuläuft.
Der Römerkanal wurde im vorigen Jahrhundert nicht nur museal genutzt. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs diente er als Luftschutzbunker und danach unter anderem als kühles Lager für Kölschfässer. © User:Archäologische Zone Köln, Röm. Abwasserkanal, CC BY-SA 3.0

Zeit für etwas Neues

Im Zuge der Bauarbeiten wird das Praetorium zukünftig unterirdisch mit dem neuen Grabungsareal verbunden sein. Der Baufortschritt auf und unter dem Rathausplatz kann nicht nur durch den Bauzaun, sondern auch über unseren MiQua-Blog verfolgt werden. 2020 ist es dann soweit und der gesamte Museumskomplex wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bis dahin ist aber noch einiges zu tun.

Durch das Gitter des Bauzauns blickt man auf die Baustelle.
Bauzaun mit Blick auf die Baustelle. Im Hintergrund ist die Rathauslaube mit dem Rathausturm zu sehen. Links davon liegt der Spanische Bau, unter dem sich das Praetorium befindet. © Stephanie Buchholz / LVR

 

Ein Beitrag von Stephanie Buchholz, MiQua.

++Dieser Artikel entstand im Rahmen der Blogparade des Archäologischen Museums Hamburg. Eine Blogparade wird unter einem bestimmten Motto ausgerufen. Hier ist es: „Verloren und wiedergefunden? Mein Kulturblick!“. Mitmachen kann jeder – auch ohne eigenen Blog. Weitere Infos zu dieser Blogparade finden Sie hier.++

 

+++ Ich freue mich über Ihre Kommentare!+++


 

A city beneath the city

Blog parade #KultBlick: Lost, then rediscovered? My cultural viewpoint

When we set out on the trail for remnants of past cultures, it is not always easy to find them. Often, items of interest are hidden and come to light only when we ‚drill down‘ – literally speaking. Colonia Claudia Ara Agrippinensium still exists beneath the streets of today’s Cologne. The city was founded 2,000 years ago by the Romans. There have already been a number of finds of cultural treasures, some of which are on display in the underground museum. But many others await discovery.
This blog is my contribution to the ‚blog parade‘ run by the Archäologisches Museum Hamburg , which invites people to describe their ‚Kultblick‘ (cultural viewpoint): how they experience, see and value culture.

Image 1: What lies beneath the streets of Cologne?

Shopping, Roman style

When we tread the pavements of the Hohe Strasse – Cologne’s ’shopping mile‘ – we are following what was in Roman times a vital road and transport axis. The so-called cardo maximus was, even 2,000 years ago, busy with people and traffic. Yet today, that ancient road is covered with the debris of ages and lies roughly five metres below the current street level. It is fascinating to think that such a long-established path is still in use today.

Image 2: Hohe Strasse (2013), © Raimond Spekking, Hohe Strasse, Cologne, showing the Cathedral-5532, CC BY-SA 3.0

Image 3: Hohe Strasse (1895)

A window onto antiquity

At the very start of Hohe Strasse and at the foot of the cathedral stands the Romano-Germanic Museum. This is a place that no tourist – nor, for that matter, any resident of Cologne themselves – should miss out on. In the museum we can learn about the archaeological heritage of the city and its outskirts. But what if your schedule doesn’t allow for a museum visit?
For a quick insight, all you have to do is simply stop by the museum’s vast glass frontage. You will be looking at an enormous floor mosaic, discovered over 70 years ago, which was in fact the impetus for the building of a dedicated museum in the 1970s.

Image 4: Passers-by stop to admire the 75 square metre ‚Dionysus mosaic‘. Created around 200 years after the birth of Christ, the mosaic belonged to the grand apartments of a Roman residence. The museum’s design allows us to see the mosaic in situ, at the very spot where it was discovered. © Stephanie Buchholz / LVR

A pub tour in Roman

Culture is something which can also be experienced over a glass of Kölsch, the beer of Cologne; in the taverns of the old town one can still find vestiges of another time. One jazz venue has a Roman mosaic at the doorway, protected by a glass cover.
In the vaulted cellars of a wine bar are the remains of the old Roman city wall.
Roman life has far from disappeared from the everyday sights of Cologne!

Images 5-7: Cologne Old Town, © Stephanie Buchholz / LVR

The gateway to another world

Once apparently lost to posterity but recovered by chance in 1843, the Roman grave in the Weiden district is the best-preserved Roman burial chamber north of the Alps. To enter this chamber, dating from the second to fourth centuries after Christ, is to be struck by the impression of having made an incursion into antiquity. In 2018, a new learning and ‚experience site‘ will be built, incorporating an exhibition on Roman Cologne, its streets and means of transport, not to mention the mortuary practices of the Romans.

Image 8: Inner chamber of the burial site in Weiden, Cologne © Dr Ulrich Hermanns, Münster

Antiquity meets the Middle Ages

We, the team at MiQua. LVR-Jewish Museum in the Archaeological Quarter Cologne – are working to bring the hidden artefacts of the city to light. The museum taking shape here shows the excavated archaeological remains of a very special place. Alongside the Cologne of antiquity with its Roman governor’s palace (the Praetorium), we will also be bringing the medieval side of the city into cultural focus.  The Jewish quarter, with the remains of the synagogue and mikveh and the Christian goldsmiths‘ quarter featuring the foundations of craftsmen’s‘ houses will occupy a permanent place in the museum concept where the emphasis will lie on medieval times. And finally, modern finds span the period up to our present day. This was a heavily populated, vibrant area up to advent the Second World War, when it saw extensive damage.
Hence, the future Museum in the Quarter (MiQua) will provide us with a comprehensive cultural view[ing]point covering two millennia of Cologne’s history.

Image 9: The mikveh, the Jewish ritual bath will (once more) be accessible once the building works have been completed. © HOWI – Horsch, Willy, Koeln-Altstadt-Mikwe2-P1010151, CC BY-SA 4.0

But for the curious, it is possible to learn more right now. The Roman governor’s palace which formed part of the museum in 1953 can be visited beneath the Spanischer Bau of the city hall of Cologne. Equally impressive is the more than two metre-deep Roman drain; visitors can now follow the extent of its original route.

Images 10: The way to the Praetorium, © Stephanie Buchholz / LVR

Image 11: The Roman drain was used last century, and not merely as part of the museum. During the Second World War it served as an air raid shelter and later as a cool store for barrels of Kölsch. © User:Archäologische Zone Köln, Roman drainage conduit, CC BY-SA 3.0

Time for something new

The construction works will link the Praetorium with the burial area via an underground passage. You can observe the progress of building on and under the Rathausplatz from the standpoint of the construction site fence, but also via our MiQua blog. By 2020, the works will be finished and the entire museum complex will be open to the public. Until then, much remains to be done.

Image 12: Construction site fence with view across the site. In the background stands the city hall’s Renaissance-style loggia and behind it, the city hall tower. In front of it and to the left is the Spanischer Bau, below which lies the Praetorium. © Stephanie Buchholz / LVR

By Stephanie Buchholz, MiQua.

 

++This article appeared in the ‚blog parade‘ organised by Archäologisches Museum Hamburg. A blog parade goes under a certain banner, and in this context, the motto is „Lost, then rediscovered? My cultural viewpoint!“ Anyone can join in – even those without a blog. For more information on this blog parade, click here.++

 

++ We will be interested to hear what you think!++

 

16 Kommentare Gib deinen ab

  1. tanjapraske sagt:

    Liebe Stephanie,

    wunderbar mit dem #KultBlick Nr. 28 reiht ihr euch als erstes Museum in diese unglaubliche Blogparade ein. Wir kommen schon gar nicht mehr hinterher und sind restlos begeistert. Wenn ich mir noch vorstelle, was bis zum 22.10. alles geschrieben wird, dann wird das hier wohl die erfolgreichste Museumsblogparade, die es bislang gab. Wobei das nicht das Wichtige daran ist. Viel wichtiger ist, dass wir so viele Menschen aktivieren konnten uns ihren Kulturblick mitzuteilen, so auch euch bzw. dich.

    Spannend wie ihr in der Stadt Köln verortet seid. Übrigens berührt ihr euch mit Jutta Zerres aka Archaeozeit Beitrag und seid doch wieder anders. Ein ganz tolles Projekt, über das ihr hier im Blog berichtet. Ich wünsch euch ganz viel Erfolg!

    Sonnige Grüße aus München

    Herzlich,
    Tanja

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  2. Liebe Tanja,

    vielen Dank für deinen Kommentar und die guten Wünsche für unser zukünftiges Haus! Wir sind nicht nur in der Kölner Museumszene, sondern auch im Bereich Social Media ganz neu mit dabei. Für uns ist diese erste Blogparade damit auch gleichzeitig ein kleines Experiment, dem wir sehr gespannt folgen.

    Wir wünschen dir und dem AMH weiterhin viel Erfolg mit der wahrscheinlich erfolgreichsten Museumsblogparade, die es bisher gab!

    Viele herzliche Grüße nach München!

    Stephanie

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  3. Hallo Stephanie,

    mir gefällt besonders gut, wie Du die Spuren von Geschichte im Alltag zeigt. Leider läuft man immer viel zu unachtsam durch die Stadt – es gäbe sicher überall sehr viel zu entdecken.

    Viele Grüße

    Daniela

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  4. Liebe Daniela,

    vielen Dank für deinen Kommentar! Mir ging es in dem Beitrag tatsächlich auch darum zu zeigen, dass man ohne viel Aufwand – und ganz nebenbei zum Alltagstrubel – sehr viel Kultur erfahren kann.

    Viele Grüße

    Stephanie

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  5. Schöner Blick auf eine Stadt, in der ich schon viel zu lange nicht mehr war. Als Kunsthistoriker habe ich mich meist auf die reichlich vorhandene Sakralarchitektur über der Erde konzentriert. Ich bin wirklich auf das Konzept des neuen Museums gespannt.

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  6. Lieber Herr Kaufmann,

    vielen Dank! Das Museumskonzept wird regelmäßig von meinen Kolleginnen und Kollegen vorgestellt. Wir informieren über neue Termine immer auf diesem Blog und würden uns freuen, wenn Sie der Domstadt und uns einmal einen Besuch abstatten würden.

    Herzliche Grüße

    Stephanie Buchholz

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